07.04.2022

Wie Startups mit klugen Geschäftsmodellen Lebensmittelverschwendung reduzieren

von Alida Johannsen

Rund ein Drittel der weltweit produzierten Lebensmittel geht auf dem Weg vom Acker auf
den Tisch verloren. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten
Nationen (FAO) landen dabei 1.3 Milliarden Tonnen noch essbare Lebensmittel im Abfall.
Ein größerer Teil der Ernte wird direkt aussortiert, weil z.B. eine krumme Gurke nicht den
Ansprüchen von Konsument*innen entspricht. Insgesamt entstehen fast ein Drittel der gesamten deutschen Lebensmittelabfälle bei der sogenannten Primärproduktion und Weiterverarbeitung. Der größte Anteil von Lebensmittelabfällen kommt allerdings mit 52% aus privaten Haushalten. Wir als Verbraucher*innen werfen ca. 75 kg Lebensmittel pro Person im Jahr weg.

Lebensmittelverschwendung hat schwere soziale, ökologische und ökonomische Folgen. Verstärkt werden diese zusätzlich durch den Klimawandel und die Herausforderung, eine stetig wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Für jedes Lebensmittel wird eine bestimmte Fläche an Ackerland benötigt. Eine große Menge an vermeidbaren Lebensmittelverlusten bedeutet, dass viele Flächen “umsonst” bewirtschaftet werden. Dies führt u.a. zu höheren Kosten, trägt aber auch zu höheren Treibhausgas-Emissionen (THG; das ist unter anderem der Klimakiller-CO2) bei. Eine WWF-Studie von 2015 berechnet, dass die THG-Emissionen der deutschen vermeidbaren Lebensmittelabfälle beinahe ein Drittel der landwirtschaftlichen THG-Emissionen Deutschlands ausmacht.

Deutschland hat sich u.a. für das Sustainable Development Goal der Agenda 2030 der Vereinten Nationen verpflichtet, die globale Lebensmittelverschwendung bis 2030 um 50% zu vermindern. Dieses Ziel fordert eine Zusammenarbeit von Akteuren der Lebensmittelproduktion, Politik und Gesellschaft. Neben größeren Organisationen, wie Tafel Deutschland e.V., haben auch deutsche Entrepreneur*innen das Thema für sich entdeckt: Sie haben innovative Lösungen gegen Lebensmittelverschwendung entwickelt. So leisten sie mit ihren grünen und nachhaltigen Startups einen wichtigen Beitrag zur Verringerung der Lebensmittelverschwendung und damit Klimaschutz.

Das Berliner Startup sirplus bietet auf seiner Online-Plattform gerettete Lebensmittel an, die nicht mehr verkauft werden können – meist halten sie den Konsumansprüchen nicht stand. Darunter fällt übrigens auch die “krumme” Gurke. Lebensmittel werden per Versand direkt nach Hause zu den Kund*innen geliefert. Sirplus konkurriert dabei nicht mit der Tafel, sondern rettet Lebensmittel, die bei der Tafel nicht verwendet werden können. Sirplus-Gründer Raphael Fellmer ist schon lange gegen Lebensmittelverschwendung aktiv:

“Es wird zu viel weggeschmissen, deshalb professionalisieren wird das Lebensmittelretten. Wenn Millionen von Menschen gerettete Nahrung konsumieren können, ist es möglich, die Lebensmittelverschwendung nachhaltig zu reduzieren.”

Warum ein Lebensmittel aussortiert wird, kann viele Gründe haben: Manchmal ist zum Beispiel das Mindesthaltbarkeitsdatum knapp überschritten, das Verpackungsdesign veraltet, die Ware leicht beschädigt oder es wurde einfach zu viel produziert. Produkte, die über sirplus bezogen werden können, sind also einwandfrei genießbar und dazu meistens deutlich günstiger.

Alexander Piutti ist schon länger als Entrepreneur in der Szene gegen Lebensmittelverschwendung aktiv und hat 2020 das Startup SPRK.global gegründet. Für Alexander Piutti ist:

„Lebensmittelverschwendung ist nicht nur ein lokales oder bundesweites, sondern ein immenses globales Problem. Weltweit liegt die Lebensmittelverschwendung bei 2,5 Milliarden Tonnen pro Jahr. Dieser Herausforderung gilt es sich im Rahmen der Sustainable Development Goals anzunehmen.”

Das Berliner Startup verfolgt das Ziel, das Verhältnis zwischen Lebensmittelangebot und Nachfrage zu optimieren. Dabei beinhaltet das SPRK-Konzept verschiedene Lösungsansätze. Herzstück ist eine KI-gesteuerte B2B-Plattform, welche Lieferketten-Teilnehmer mit Abnehmer verbindet. Des Weiteren gibt es eine SPRK.manufactory und ein neues Deli, wo überschüssige Lebensmittel verarbeitet und als genießbare Produkte wieder in den Markt gelangen.

“Mit unserer B2B-Handelsplattform für überschüssige und bestens genießbare Lebensmittel der Lieferkette möchten wir in Zusammenarbeit mit allen Akteuren entlang der Lebensmittellieferkette einen systemischen Wandel herbeiführen, um Überschüsse systematisch zu erfassen und rasch umverteilen bzw. verarbeiten zu lassen“.

Das Problem der Lebensmittelverschwendung am Arbeitsplatz möchte das Startup MARKTKOST aus Potsdam lösen, indem es eine Online-Kantine für kleinere Unternehmen anbietet und durch ein Vorbestellsystem analysiert, wie viele Gerichte und Zutaten benötigt werden. So wird Abfall durch Überproduktion vermieden. MAKRTKOST kämpft dabei gegen jährlich rund 1,7 Millionen Tonnen Lebensmittel, die in Deutschland in Außer-Haus-Verpflegung zu Abfall werden.

Aussortiertes Obst bewahrt auch das Startup Die Frischemanufaktur vor der Tonne. Das Startup aus Halle (Saale) produziert gesunde Durstlöscher, sogenannte Lieblingswasser, und bietet sie in seinem Onlineshop an. Der Gründerin und Landessprechende Sachsen-Anhalt Jenny Müller liegt das Thema Lebensmittelverschwendung besonders am Herzen:

„Im Lebensmittelhandel sind die sehr kurzen Haltbarkeiten von Ultra-frische Produkten, wie zubereitetes Obst, in Kombination mit schwer vorhersehbaren Verkaufsmengen eine große Herausforderung. Daher brauchen wir mehr Unternehmen mit konkreten Lösungen zur Verlängerung von diesen frischen Produkten, um Foodwaste zu reduzieren und die Ressourcen unserer Umwelt zu schonen.”

All diese Beispiel zeigen, wie groß das Einsparungspotenzial, aber auch das Problem der Lebensmittelverschwendung ist. Das ruft neben Startups natürlich auch Akteure aus Politik und Gesellschaft auf den Plan. Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag “Mehr Fortschritt wagen” (S. 36) dazu bekannt, Lebensmittelverschwendung branchenspezifisch zu reduzieren. Was in diesem Bereich politisch in den nächsten Jahren passieren wird, bleibt abzuwarten. Klar ist auf jeden Fall: Es muss etwas passieren! Auch wir als tägliche Konsumenten von Lebensmitteln, können in unseren Unternehmen und zuhause einen positiven Beitrag leisten.

Falls Ihr Euch für weitere Informationen und News aus der nachhaltigen Startup-Welt interessiert, dann meldet Euch gerne für unseren Green & Sustainable Newsletter an oder schaut auf unserer Projektseite sustainable-startups.de

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