Bundesregierung beschließt Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung
Seit Anfang Januar hat die Bundesregierung intensiv über die Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung besonders im Hinblick auf sog. Drittstaaten beraten. Am 23. Juni war es dann endlich soweit und das Gesetz hat den Bundestag passiert. Die Ampelkoalitionäre haben dabei noch einige Änderungen am Gesetzentwurf verhandelt.
Was steht drin?
Die Bundesregierung erkennt in der Überarbeitung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes an, dass wir a) ein Zuwanderungsland sind, b) noch einen Weg vor uns haben, um ein modernes Zuwanderungsland vergleichbar Kanada oder Australien zu werden und c) wir dringend mit Blick auf den demografischen Wandel auf Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland angewiesen sind.
Die Ampel führt dazu u.a. für Fachkräfte einen vereinfachten Zuzug ein, indem zukünftig die Berufsausbildung und -erfahrung (mind. 2 Jahre) aus dem Herkunftsstaat anerkannt wird und nicht wie aktuell ein vergleichbarer deutscher Abschluss vorliegen muss. Daneben wird es vor allen für IT-Fachkräfte Verbesserungen geben: diese müssen keine formalen Anerkennungen mehr nachweisen. Für Qualifizierte ohne eine konkrete Arbeitsplatzzusage besteht die Möglichkeit über eine sog. Chancenkarte zur Arbeit auf Probe nach Deutschland zu kommen. Und es wird ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild eingeführt. Die wesentlichen Neuerungen findet ihr hier. Unsere Stellungnahme zum parlamentarischen Prozess hier.
Was wurde durch den parlamentarischen Prozess noch geändert?
- Als Berufsqualifikation werden auch formelle Bildungs- und Ausbildungsverfahren der Außenhandelskammern anerkannt.
- Die Einkommensschwelle bei der Blauen Karte wird moderat ab 50% der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung (43.800 Euro brutto im Jahr) abgesenkt.
- Die Chancenkarte kann um bis zu zwei Jahre verlängert werden.
- Die Anforderungen für Sprachkenntnisse werden leicht abgesenkt (Anerkennung der Tatsache, dass Englisch Arbeitssprache in vielen Unternehmen ist).
- Der Familiennachzug für Fachkräfte unter Einbeziehung von Eltern & Schwiegereltern wird erleichtert.
- Fachkräfte, die noch im Asylverfahren sind, können
in eine Aufenthaltserlaubnis wechseln, wenn sie bereits (Stichtag 29.3.2023) in Deutschland sind und die entsprechenden Qualifikationen nachweisen können (Möglichkeit eines Spurwechsels).
Wie geht's weiter?
Eine flankierende Verordnung zum Gesetz wird im Bundesrat voraussichtlich am 7. Juli 2023 behandelt. Einige Regelungen des Gesetzes treten bereits ab November 2023 in Kraft, andere sechs bzw. neun Monate nach der Verkündung. So soll sichergestellt werden, dass die betroffenen Behörden genügend Zeit für die Umsetzung haben.
Bewertung
Gesetzgeberisch lesen sich das Gesetz und der Verordnungsentwurf vielversprechend, allerdings hängt alles von der nun anstehenden Umsetzung in die Praxis ab. Die Ausländerbehörden und kommunalen Stakeholder stehen aktuell vor einem enormen Vollzugsproblem. Wartezeiten bei Visaprozessen von einem Jahr sind keine Seltenheit. Und das nicht, weil die Behörden nicht wollen, sondern weil ihnen schlicht das Personal fehlt. Wir haben aktuell also einen Fachkräftemangel zur Behebung des Fachkräftemangels. Hinzu kommt, dass die Visaprozesse nicht einheitlich sind und sich durch die föderalen Zuständigkeiten unterscheiden – keine guten Voraussetzungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Das Auswärtige Amt arbeitet derzeit an einem Aktionsplan zur Visabeschleunigung. Damit steht und fällt, ob das aktuelle Gesetz am Ende wirklich die Zuwanderung von Fachkräften vereinfacht und beschleunigt. Wir als Verband wünschen uns nichts mehr und werden auch weiter aktiv an einer Verbesserung der Prozesse arbeiten.